Dienstag, 22. September 2015

Es ist Dienstag Abend, exakt 23:55 und wohl möglich der erste Text auf diesem Blog dieser Art. Erwartet nichts spektakuläres, trotzdem bitte ich euch, nehmt euch die Zeit, lest diesen Text und versucht ihn zu verstehen. Lest ihn zwei, drei, oder gar vier Mal und hört erst dann auf zu lesen, wenn ihr sagen könnt, dass ihr meinen "Appell" an euch versteht.
Oft, wenn ich nicht schlafen kann und in Gedanken versinke, lese ich mir meine alten Blogposts durch und führe mir mit Absicht vor Augen, wie schlecht es mir mal ging. Ich erinnere mich an jede einzelne Situation, die ich hier in den Texten beschrieben habe, kann alles genau so nachempfinden, wie es sich damals anfühlte, als ich an meinem Laptop saß und diese Texte schrieb. Allerdings war ich heute der Meinung, die Chance zu nutzen und zur Abwechslung etwas positives zu berichten bzw. zu vermitteln, denn ich kann mich zwar an die damaligen Situationen erinnern, allerdings nicht auf meine Gegenwart beziehen. Sie sind Vergangenheit. Und dazu möchte ich euch etwas sagen. Im wesentlichen möchte ich euch nur auf einige Dinge hinweisen, euch von meiner "Genesung" berichten, in erster Linie Mut machen und Hilfe (an)bieten. Vor allem, weil ich immer mehr junge Mädchen sehe, die ihre Körper verstümmeln um es ihrer Seele anzupassen. Die ihre Qualitäten vergeuden, weil sie nicht reden. Das soll kein Vorwurf sein, auf keinen Fall! So etwas macht keiner mit Absicht. Trotz allem ist es eine Tatsache. Immer mehr junge Mädchen vegetieren vor sich hin. Mädchen, die noch eine Zukunft haben. Und es ist traurig zu sehen, dass in solch einer sehr offenen Welt so viele schweigende Münder versteckt sind.
Als ich meine Therapie vor fast zwei Jahren begann, hatte ich kurz davor meinen vierten Selbstmordversuch hinter mich gebracht. Die Gründe für meine Depression, mein SVV-Problem und eben dieses ganze psychische Wirrwarr spielen gar keine Rolle. Das Wichtige ist der erste Schritt zur Besserung. In Therapie zu gehen war meine eigene Entscheidung, weil ich mir bewusst wurde, dass ich Hilfe brauchte und das so schnell wie möglich. Die erste Zeit der Therapie war sehr schwierig, oft dachte ich mir, dass das alles doch sowieso nichts bringt, aufgeben wollte ich aber trotzdem nicht. Rückfälle über Rückfälle, ein fünfter Selbstmordversuch vor nur wenigen Monaten. Man kann eben nicht erwarten, dass es immer gleich klappt. Andererseits habe ich auch sehr vieles gelernt, was mir vielleicht auch erst jetzt, am Ende meiner Therapie (ja, ich beende meine Therapie vermutlich in wenigen Wochen), so richtig bewusst wird. Ich habe vieles herausgefunden, über mich selbst und auch über andere Menschen. Positives, sowohl als auch sehr viel sehr negatives. Profitieren konnte ich von beidem. Die Zeit hat mein Bewusstsein quasi um einiges erweitert. SVV ist ebenfalls kein Thema mehr. Rückfälle schließe ich grundsätzlich nicht aus, weil man nie wissen kann, was passiert, trotz allem bin ich mir sicher, dass wenn es zu einem Rückfall kommen sollte in der Zukunft, ich damit auch selbstständig fertig werde und mir selbstständig helfen kann. Ein weiterer Punkt, den ich dank der Therapie lernen konnte. "Selbstständig therapieren". Damit will ich sagen, dass ich gelernt habe, in schwierigen Situationen, die es im Leben nun mal immer geben wird, mir selbst zu helfen um in keine Krise zu geraten. Das aber ganz allein in solch einer Lebenslage zu lernen gestaltet sich durchaus schwierig. Vielleicht klingt das komisch, aber wenn man es so sagen will, gebe ich mir selber Ratschläge und Tipps, wie ich am besten mit der Situation umgehe. Dafür, dass es seltsam, vielleicht auch paradox klingt, klappt es überraschend gut. So gut, dass ich meine Therapie bald beenden kann! Im Großen und Ganzen bin ich mir selbst dankbar, dass ich die Entscheidung getroffen habe, mir helfen zu lassen. Natürlich könnte ich viel mehr über meine Therapie erzählen, dazu wäre die Zeit aber zu knapp.
Es hat anfangs sehr viel Überwindung gekostet mit meiner Mutter darüber zu reden, wurde oft missverstanden, habe zu Beginn gar kein Verständnis von meiner Mutter bekommen. Von eigentlich gar keinem, aber da muss man durch. Was ich euch damit sagen will ist (das soll nicht egoistisch klingen, bitte nicht falsch verstehen): Ihr müsst in erster Linie immer und egal in welcher Situation an euch selbst denken!!! Denn im ersten Moment ist man ganz allein für sich verantwortlich. Das ist die erste Erkenntnis, die ihr für eure eigene "Genesung" haben müsst und nach dieser Erkenntnis kommt die Erkenntnis, dass ihr niemals in egal welcher Lebenslage allein seit, im Sinne von "hilflos"! Vielleicht kommt es euch so vor, oft sogar, aber ihr seit es nicht. Ihr müsst nur anfangen zu reden! Bitte redet über eure Sorgen, sucht euch Hilfe, wenn ihr sie braucht. Keine Situation ist ausweglos. Vor einem Jahr wollte ich meinem Leben ein Ende setzen, heute bin ich froh es nicht getan zu haben. Das soll nicht banal klingen, nicht nach diesem typischen "Alles wird gut.". Ich weiß, wie verrucht dieser Satz ist, mir gefällt er genauso wenig. Ich möchte mehr in die Richtung, dass ihr mit Willenskraft alles erreichen könnt, was ihr nur wollt. Ob es gute Noten in der Schule sind, vom SVV los zu kommen, oder im Weitsprung der/die Beste zu sein. Ihr könnt es schaffen! 
Das Leben wird nie ein Ponyhof sein, es wird euch immer wieder vor die Wahl stellen, euch an Grenzen bringen von dessen Existenz ihr nicht mal wusstet, oder euch den Boden unter den Füßen mit einem Ruck weg ziehen. Es wird immer aussichtslose Situationen geben, aber bitte vergesst nie: Egal wie aussichtslos etwas scheint, ihr müsst euch nur öfters in alle Richtungen drehen und irgendwann findet ihr auch in völliger Dunkelheit ein Licht. Und bitte, redet! Redet mit Freunden, eurer Familie, redet mit Menschen aus dem Internet, redet mit Lehrern oder Sozialpädagogen, mit Psychologen, oder Menschen mit ähnlichen Problemen. Redet mit mir. Reden ist immer der erste Schritt. Kein einziges Problem auf dieser Welt ist unlösbar, auch das Deine nicht! Du musst nur den ersten Schritt wagen.
Ich habe in den letzten zwei Jahren eine unfassbare Entwicklung gemacht. Für meine frischen 16 Jahre bin ich unglaublich Reif, kann Dinge klarer und strukturierter angehen als andere in meinem Alter, habe Depressionen schweren Grades, über fünf Jahre stark ausgeprägtes SVV, Angststörungen, Suizidalität und ein wirklich unsicheres und instabiles Dasein hinter mir gelassen. Ich habe unglaublich viel Selbstvertrauen aufgebaut, was nicht bedeutet das ich eingebildet bin, sondern dass ich mich in meiner Haut wohl fühle, selbstsicher bin und kein Bedürfnis habe mich zu verstecken, offen über Positives als auch Negatives reden kann und einfach so bin wie ich bin, ohne Angst davor zu haben. Im Großen und Ganzen bin ich glücklich. Wie gesagt, ein Zuckerschlecken wird das Leben nie sein, bei keinem. Aber man kann es sich wirklich wesentlich einfacher machen und das müsst ihr euch wirklich in egal welcher Situation immer vor Augen führen. Zumindest bitte ich euch darum, es zu versuchen. Immer wenn es euch schlecht geht, müsst ihr daran denken, dass ihr stark seit und es einen Ausweg gibt, auch wenn es vielleicht erst mal nicht danach aussieht. Ihr seit stark und ihr könnt es schaffen. Jeder kann das. So wie auch ich es schaffen konnte.
Ich würde so gerne noch so viel mehr schreiben, aber dann wird das vielleicht einfach zu viel für den Anfang. Nehmt erst mal die Information dieses Textes so hin und vielleicht ergibt sich die Situation, einen weiteren Text zu schreiben. Das Wichtigste wäre aber denke ich  grob gesagt.
Ich werde euch gerne, wirklich sehr gerne als Bezugsperson, Gesprächspartner, Freundin oder Amateur-Therapeutin zur Seite stehen und bitte kontaktiert mich, wenn ihr das Bedürfnis habt, mit jemandem zu reden, oder wenn ihr Fragen zu irgend etwas habt: lunacelestine@web.de

Hört auf zu schweigen und setzt dem Leid ein Ende. 

1 Kommentar:

  1. Auch wenn ich nie schlimme Probleme hatte: Danke, dass du diesen Text geschrieben hast! Danke!

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